Seit Mitte März war, bedingt durch die Corona-Pandemie, das öffentliche Leben in großen Teilen eingeschränkt. Entsprechend durften auch körpernahe Dienstleistungen, zu denen auch Massagen gehören, nicht mehr angeboten werden. Umso erfreuter waren viele Dienstleistende und deren Kundinnen und Kunden in diesem Bereich, als im Zuge der ersten größeren Lockerungen Tätigkeiten mit Körperkontakt, unter Einhaltungen der Hygiene- und Abstandsregeln, wieder frei gegeben wurden. Entsprechend wurden zertifizierte Tantramassage TMV® von Massierenden und Praxen ab diesem Zeitpunkt wieder angeboten.
Da einige Ordnungsämter diese Tätigkeiten und somit die anbietenden Praxen als „Prostitutionsstätten, Bordelle […] und ähnliche […] Einrichtungen“ bewerteten, kam es zu behördlichen Schließungen, unter anderem in Essen. Gegen diese Ordnungsverfügung wurde umgehend Klage erhoben, die am vergangenen Montag vor dem VG Gelsenkirchen (Az.: 20 L 589/20) zum Erfolg führte. Das Gericht stellte fest, dass es sich bei der „angebotenen Tantramassage vielmehr um „Massage“ i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 CoronaSchVO“ handelt. Zum Tragen kamen bei dieser Entscheidung nicht nur die allgemeinen Gebote von Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung, sondern auch sachbezogene Erwägungen, denn es gibt keinen wissenschaftlichen Hinweis darauf, dass die Einbeziehung des Intimbereiches das Infektionsrisiko erhöht.
„Nach einer erfolgreichen baurechtlichen Auseinandersetzung ist nun ein weiteres Urteil in unserem Sinne gefallen, das klar macht: zertifizierte Tantramassage TMV® ist keine Prostitution“, freut sich der Vorsitzende des Berufsverbandes Olaf Göbel und ergänzt: „Die TMV-Mitglieder haben bereits lange vor Corona das Thema Hygiene ernst genommen. Deshalb fiel es uns auch leicht, für unsere Mitglieder und deren Praxen ein umfassendes Konzept vorzulegen, das sowohl Massierende wie auch die Massierten bestmöglich schützt.“
Die Ausbildung, um zertifizierte Tantramassage TMV® anbieten zu können, dauert übrigens gut ein Jahr. Sie besteht aus verschiedenen Präsenzmodulen, in der sowohl die Techniken der Massage wie auch anatomische und physiologische Grundlagen vermittelt werden, einer festgelegten Anzahl an Übungs- und Überprüfungsmassagen sowie einer theoretischen und einer praktischen Prüfung. Eine auf dieser Ausbildung basierende Tantramassage ist mehr als nur Lustgewinn oder (sexuelle) Entspannung. Sie kann förderlich für die Gesunderhaltung von Körper und Geist sein. Dazu der Beauftragte für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Lars Schmidt: „Ich habe Mitte 2018 meine Ausbildung zum zertifizierten Tantramasseur TMV® begonnen. Schon nach der ersten Seminar-Woche hat sich bei mir eine körperliche Veränderung eingestellt. Ich bin deutlich entspannter und gleichzeitig leistungsfähiger geworden, komme so gut wie gar nicht mehr in Stress und habe ein viel besseres Verhältnis zu meinem eigenen Körper gewonnen. Ich hätte als eher kopflastiger Mensch nie gedacht, dass solch ein Effekt überhaupt eintreten kann und noch weniger, dass dieser nachhaltig bis heute andauert. Für mich war das aber am Ende der Grund, mich auch aktiv für den Verband und die Verbreitung von sachgerechten Informationen über die Tantramassage TMV® einzusetzen.“
Ähnlich positive Berichte betreffen aber nicht nur die Ausbildung, sondern auch das Empfangen einer Tantramassage TMV®, wie Verbandschef Olaf Göbel zu berichten weiß: „Durch eigene Erfahrung und unzählige Berichte unserer Mitglieder wird klar, dass durch die intensive Berührungsqualität etwas passiert, das weit über Sexualität und Lust hinaus geht. Es treten Emotionen und manchmal auch Blockaden zu Tage, die in den Händen unserer zertifizierten Massierenden einen Weg nach draußen finden. Für unsere Kundinnen und Kunden häufig eine enorme Befreiung“. Gerade deshalb ist es jetzt in den Zeiten des Coronavirus, in denen Nähe und soziale Kontakte so massiv heruntergefahren sind, wichtig, dass Menschen durch die wieder erlaubte Tantramassage TMV® einen Ausflug zu sich selbst unternehmen können. Und so in einem sicheren Raum etwas von dem nachholen können, was zu den wesentlichen Grundbedürfnissen eines jeden Menschen gehört, die auch schon vor Corona in der heutigen Zeit oft zu kurz gekommen sind: Berührung und Sexualität.
„So sehr wir uns jetzt über das für unsere Mitglieder positive Urteil freuen, so ist es doch nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur den grundsätzlichen Fragen, die das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) aufwirft: Wo liegen bei Berührungen und zwischenmenschlichen Interaktionen die Grenzen zwischen therapeutischen, nicht-medizinischen oder sexuellen Handlungen? Und wieso benötigen letztere überhaupt eine gesetzliche Reglementierung, wenn diese freiwillig und konsensual erfolgen?“ fragt sich Pressesprecher Lars Schmidt und ergänzt abschließend: „Deshalb sind auch die aktuellen Forderungen von 16 Bundestagsabgeordneten nach einem Sexkaufverbot ein gefährlicher, rückwärtsgewandter Irrweg! Solch eine Regelung dient in keiner Weise dem Zweck, aktuell die Verbreitung des Coronavirus und erst recht nicht Zwangsprostitution, Ausbeutung und Menschenhandel zu verhindern. Nur die aktive Förderung der sexuellen Gesundheit, übrigens ein wesentliches Verbandsziel des TMV, sowie eine moralinfreie Diskussion über menschliche Bedürfnisse mit deren unzähligen Facetten der daraus resultierenden, freiwilligen Beziehungen zwischen Erwachsenen wird am Ende den unstreitig menschenunwürdigen Zuständen im nichtfreiwilligen Bereich den Nährboden entziehen.“
Bild: Antonia Vilos
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